Emilia Galotti - Jahrgang 13 im Apollo-Theater

19.10.2007

 

 

 


Alle Schülerinnen und Schüler des 13. Jahrgangs besuchten am Freitag gemeinsam das Apollo-Theater, und das, obwohl die Wasserfluten aus der Sprinkleranlage über die gesamte letzte Woche für die Betreiber zu einer Zitterpartie geführt hatte. Von Wasserschäden war zum Glück nichts mehr zu bemerken, so dass die  „Emilia Galotti“ störungsfrei über die Bühne ging.

Zwar gehört das Werk des großen Aufklärers und Rationalisten Gotthold Ephraim Lessing zur Pflichtlektüre für das NRW-Abitur, aber dass es nicht nur eine lästige Pflicht war, zeigten die Aufmerksamkeit und der begeisterte Applaus der vorwiegend jungen Erwachsenen, die das Theater nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt hatten.

235 Jahre sind vergangen seit der Uraufführung des Trauerspiels über die tugendhafte, aber auch sehr lebensfrohe und leidenschaftliche Tochter, die ins Zentrum eines Spiels aus Liebe, Intrige und politischem Kalkül gerät. „Verführung ist die wahre Gewalt“, erkennt Emilia und zieht den Tod durch die Hand des Vaters  einem unehrenvollen, aber durchaus attraktiven Leben als Geliebte des Prinzen von Guastalla vor.

In der von Karl Georg Kayser behutsam modernisierten Fassung des Marburger Landestheaters gibt der junge Daniel Sempf den stürmischen Verehrer, dem man die Hemmungslosigkeit ohne Weiteres abnimmt, mit der er Frauen nachstellt und sie fallen lässt, wie es ihm gerade in den Sinn kommt.

Franziska Endres als Titelheldin wirkt naiv und kindlich, aber sie ist sich durchaus ihrer Entflammbarkeit bewusst. Man nimmt ihr gerne ab, dass sie sich für den liebestollen Charmeur begeistern könnte, zumal der ihr zugedachte Ehemann, Graf Appiani (Ulrich Wittemann) einen Stock verschluckt haben könnte. Man gewinnt den Eindruck, er wolle nicht die Tochter, sondern die Eltern heiraten. Man wünscht dem Mädchen beinahe, ein Leben an der Seite dieses Ehemanns, dazu in irgendeiner abgelegenen Landgemeinde, möge ihr erspart bleiben.

Dass das so ist, besorgt Marchese Marinelli (Peter Meyer), in dessen Händen alle Fäden zusammenlaufen. Nicht mehr als einen Espresso braucht er, um Intrigen zu spinnen und das Gespräch stets so zu lenken, dass der andere am Ende nicht mehr weiß, wer denn eigentlich die Entscheidungen trifft. Frech, in Kleidung, Frisur und Auftreten ein Stilbruch nach dem anderen, weiß er die Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Ob er die Hände nicht bei sich behalten kann, wenn er die elegante und kluge Orsina abwimmelt, ob er lässig die Geldrolle zückt für den gedungenen Mörder Appianis, ob er dem Prinzen körperlich und verbal überlegen ist, man nimmt ihm alles ab - und doch rettet die Selbstironie, mit der Meyer diese Rolle in Szene setzt, den Zuschauer vor der Identifikation mit diesem süffisanten Machtmenschen.

Den richtigen Ton für das junge Publikum treffen ganz offensichtlich auch Jürgen Sachs (Bass) und Thomas Streibig (Gitarre, Saxophon) mit ihrer Hintergrundmusik, die mit besonderem Applaus bedacht werden.

Das Rund der Bühne ist sparsam dekoriert mit Neonleuchten in Kästen, die die Brautwerbung mit wechselnden Farben unterstreichen, den Mordkomplott in kaltes weißes Licht tauchen. Weitere Kästen wechseln über die Bühne, mal sind sie schwer, mal federleicht, sind Bett, Tisch, Stuhl und Kreuz, je nach Bedarf. Die Bühne ist offen, die Schauspieler bleiben im Rund, treten aus der Zuschauerposition auf die Bühne. Der Vorhang ist weitgehend Emilia vorbehalten.

Am Schluss ist die Bühne fast dunkel: "Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert". -"Da war doch noch was?" - fragen einige Schüler und manche stellen erleichtert fest: Das Original ist gut gespeichert.

Nach dem Sommernachtstraum wissen die Schüler, was für eine Leistung hinter einer solchen Aufführung steckt und danken mit Applaus, Trampeln, anerkennenden Pfiffen. Sie finden es gut, ein Jahr nach der Erarbeitung die Erinnerung aufzufrischen oder manches Neue zu entdecken. Fast schade, dass der Abituraufsatz mit der Frage, ob man solche Stücke einem jungen Publikum zumuten kann, bereits im letzten Jahr geschrieben wurde. Immerhin: Bleibt noch das Lo-net-Forum, in dem die Einzelkommentare sehr erwünscht sind!

(mein)