Wie war es denn nun wirklich? Zwei Filme über Goethes „Werther“ und über
sein Leben enthalten so
unterschiedliche Informationen, dass der Besuch des Goethehauses in
Frankfurt mit seinen kompetenten Besucherführungen uns Aufklärung bieten
sollte.
Während die Schüler/innen des Chemie LKs sich mit kriminaltechnischen
Untersuchungen beschäftigen wollten, erfuhren die anderen Schüler/innen
des Jahrgangs 10, dass Goethes Großmutter den neu geborenen Enkel zwei
Stunden lang mit einer Weinmassage ins Leben beförderte und dass dieser
Beinahe-Tod ungezählten Kindern das Leben rettete, weil der Großvater
und zugleich Oberbürgermeister fortan für eine qualifizierte Ausbildung
der Hebammen sorgte.
Aus ursprünglich zwei mittelalterlichen Fachwerkhäusern ließ Goethes
wohlhabender Vater ein barockes Haus bauen mit großer Freitreppe,
eleganten Gesellschaftszimmern und einer umfangreichen Bibliothek. Die
holländischen Genrebilder und viele der Möbel wurden nachgekauft, denn
Goethe hat nach dem Tod des Vaters den Haushalt in Frankfurt aufgelöst
und verkauft. Aus den Haushaltsbüchern und den akribischen Aufstellungen
des Nachlasses konnte man relativ gut rekonstruieren, wie das Haus
früher ausgesehen hat.
Wir erfuhren, dass der junge Goethe keinesfalls den „Werther“ im Karzer
geschrieben hat, wie der aktuelle Film es darstellt, sondern innerhalb
von 13 Wochen stehend an einem Schreibpult in seinem Elternhaus.
Dass Jungen es vor 250 Jahren deutlich leichter hatten als Mädchen,
wurde uns an der Biographie seiner begabten Schwester Cornelia
erläutert, die gegen ihren Wunsch verheiratet wurde und sehr früh im
Kindbett starb. Undenkbar wären die Liebesszenen gewesen, die in dem
aktuellen Film gezeigt werden, denn ein Mädchen musste als Jungfrau in
die Ehe gehen - und von Goethe weiß man, dass er erst im Alter von mehr
als dreißig Jahren auf seiner Reise nach Italien die körperliche Liebe
entdeckte.
Hier stehen wir auf der Treppe, deren erste vier Stufen nach der
Zerstörung des Hauses im 2. Weltkrieg noch erhalten sind, auf denen also
nicht nur Goethe und seine Familie, sondern auch viele hochgestellte
Persönlichkeiten in der damaligen Zeit gegangen sind.
Nach dem Besuch des
Goethehauses zeigte uns Frau Frank einige wichtige Denkmäler ihrer
Heimatstadt und erklärte uns deren Geschichte, etwa die Paulskirche und
ihre Bedeutung für die Republik, das Rathaus mit Seufzerbrücke und
Kaisersaal und den Römer. Danach gab es noch ausreichend Zeit für einen
Stadtbummel. Zum Glück hielt sich das Wetter bis zu unserer Rückfahrt,
sodass alle trockenen Hauptes nach Hause kamen.
(mein)